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Formen

Gewalt im Namen der „Ehre” wird präventiv ausgeübt, um der Verletzung der Regeln vorzubeugen, oder reaktiv, also um den Regelbruch zu bestrafen und die „Ehre” wiederherzustellen. Sie geht in der Regel nicht nur vom Ehemann oder Vater aus, sondern auch von diversen anderen Familienmitgliedern. Auch Mütter beteiligen sich oft an emotionalem Druck und Freiheitsberaubung oder treiben die Zwangsverheiratung voran.

Häufige Formen der Gewalt

Häufig werden die sozialen Kontakte und die Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Betroffene dürfen beispielsweise die Wohnung nicht allein verlassen oder keine Menschen treffen, die nicht zur Familie gehören. Freundschaften, Hobbies oder Klassenfahrten sind oft nicht erlaubt. Auch über ihre Kleidung dürfen viele nicht selbst entscheiden. Einige berichten auch, dass ihr Smartphone kontrolliert oder per Tracking App überwacht wird. Auch Taschen werden oft durchsucht. So haben Betroffene kaum Privatsphäre und Raum zur persönlichen Entfaltung. Die Verselbstständigung von Jugendlichen und Heranwachsenden wird unterbunden.

Wer gegen die patriarchalen Verhaltensvorschriften verstößt, darf von allen Familienmitgliedern beschimpft und kontrolliert werden. Vor allem Mädchen und Frauen wird durch Beschämung, Demütigung und Drohungen vermittelt, sie seien wert- und rechtlos. Oft kommt auch physische oder sexuelle Gewalt vor. Viele Betroffene wissen von vorangegangener Gewalt gegen andere Verwandte oder berichten sogar von vertuschten Tötungen innerhalb der Familie – so dient die Gewalt gegen ein Familienmitglied immer auch als Drohkulisse, um andere zu disziplinieren und vom Regelbruch abzuhalten. Von männlichen Familienangehörigen wird oft erwartet, dass sie sich an der Disziplinierung und Kontrolle der Mädchen und Frauen beteiligen. Aber auch sie sind oft von Gewalt betroffen, wenn sie den an sie gestellten Erwartungen nicht genügen, sich der patriarchalen Ordnung entziehen und vor allem, wenn sie von der heterosexuellen Norm abweichen.

Wenn die Familie befürchtet, dass sich die Tochter oder Ehefrau entziehen will, oder um eine unerlaubte Liebesbeziehung zu unterbinden, kommt es manchmal zu Freiheitsberaubung, also dem Einsperren zuhause, aber auch zu Entführungen oder sogar Verschleppungen ins Ausland. Oft werden die Betroffenen unter dem Vorwand eines Familienbesuchs ins Herkunftsland der Eltern gebracht, dort aber gegen ihren Willen bei Verwandten zurückgelassen.

Häufig werden Betroffene verschleppt, um sie gegen ihren Willen zu verheiraten. Von Zwangsverheiratungen sind vor allem (minderjährige) Mädchen und Frauen betroffen. Aber auch Jungen und Männer werden zur Heirat gezwungen, wenn die Familie glaubt oder weiß, dass sie die heterosexuelle Norm brechen, und diese „Schande“ vermeiden will. Ehepartner*innen werden vor allem nach dem Kriterium des familiären Ansehens ausgewählt, aber auch finanzielle Aspekte fließen ein. Zwischen arrangierten und erzwungenen Eheschließungen zu differenzieren ist oft schwierig. Denn viele Betroffene werden emotional stark unter Druck gesetzt, sodass sie schließlich einer Heirat zustimmen, die sie aus freien Stücken nicht gewollt hätten.

Neben der erzwungenen Verheiratung gibt es auch die Zwangsehe: Die betroffene Person hat zunächst aus freien Stücken geheiratet, die gewünschte Trennung bzw. Scheidung wird aber unterbunden, die Fortführung der Ehe erzwungen. Grund dafür ist meist ein hoher Druck, nach außen hin eine harmonische, dem patriarchalen Ideal entsprechende Familie darzustellen. Eine Scheidung empfindet die Familie oder der Ehepartner als unerträglichen Gesichtsverlust, der unbedingt zu verhindern ist.

Im äußersten Fall kommt es vor, dass die Tötung des oder der Betroffenen beschlossen und (meist durch mehrere Familienmitglieder gemeinsam) umgesetzt wird. Diese Morde bilden die Spitze des „Eisbergs der Gewalt“, sind aber durch die teils problematische Weise der Berichterstattung sehr präsent. Einer Studie zufolge gibt es in Deutschland rund zwölf Fälle im Jahr, die meisten davon sind Grenzfälle zu den Bereichen Partnergewalt oder Blutrache. Betroffen sind oft Mädchen und Frauen, über 40 Prozent der Opfer sind jedoch männlich – meist Schwule und Queers oder unerwünschte Partner.